Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen bei fehlendem Hinweis

1. Die Situation
Eine Person begeht eine Straftat und wird dabei von Videokameras aufgenommen.
Leichtes Spiel für Polizei und Staatsanwaltschaft, den Täter zu überführen? Mag man meinen, ist aber gar nicht so sicher. Insbesondere dann nicht, wenn die Aufzeichnung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

2. Die Rechtslage
Eine Videoaufzeichnung darf nicht wie und wann man will erfolgen. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen und das Recht auf individuelle Selbstbestimmung steht dem entgegen.
Zentrale Vorschrift ist hier § 6b BDSG. Dieser besagt:

„[…] Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen […]“

Fehlt es nun an einem entsprechenden Hinweis, dass eine Person (auch wenn sie dabei gerade eine Straftat, etwa einen Ladendiebstahl begeht) aufgezeichnet wird, dann ist diese Aufzeichnung erstmal „illegal“.

Doch der Staatsanwalt oder die Polizei bekommt das Band dennoch in die Finger – was jetzt?
Jetzt stellt die Aufzeichnung ein Beweismittel dar. Dieses Beweismittel bleibt erstmal illegal, weil es ja wegen Verstoß gegen § 6b BDSG einem sogenannten Beweiserhebungsfehler unterliegt.

Doch der Staatsanwalt oder die Polizei werden natürlich trotzdem ein Interesse daran haben, den Täter durch die Aufzeichnung zu überführen. Schließlich sieht man seine Tat ja genau auf dem Video. Also wird sie das Band dem Gericht zeigen. Doch darf das Gericht den Täter dann aufgrund dieses Beweismittels verurteilen? Immerhin ist es ja illegal?!

Hier stellt sich die Frage, ob der Beweiserhebungsfehler auch gleichzeitig zu einem Beweisverwertungsverbot führt.
Und hier hat das Oberlandesgericht Hamburg jüngst festgestellt: Die Aufzeichnung darf trotz Beweiserhebungsfehler grundsätzlich gegen den Angeklagten verwertet werden.Im konkreten Fall ging es um eine Aufzeichnung einer Straftat in einem Kaufhaus. Und hier -sagt das OLG- überwiegt das Strafverfolgungsinteresse dem Interesse des Täters auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da § 6b BDSG nicht die Rechte eines Beschuldigten im Strafverfahren stärken soll und auch nicht der Kernbereich privater Lebensführung (etwa der Intimbereich) betroffen sei.

3. Stellungnahme
Diese Entscheidung ist zu Recht kritisch zu betrachten und deutlich in Zweifel zu ziehen.
Das OLG verkennt hier, dass § 6b BDSG ein einheitliches interdisziplinäres Recht darstellt, das nicht zwischen den Rechtsgebieten differenziert und besagt, in welchem Rechtsgebiet das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung gelten soll (genau dies schützt § 6b BDSG) und in welchem nicht. Selbstverständlich hat dies ebenso in einem Strafverfahren Anwendung zu finden, wie in allen übrigen Rechtsgebieten auch. In der Folge muss dieses Recht auch die Rechte eines Beschuldigten im Strafverfahren schützen.

Und soweit das OLG darauf abstellt, der Kernbereich privater Lebensführung wäre nicht betroffen: Hier verkennt das OLG, dass dies gerade keine Frage der Interessenabwägung darstellen dar. Wenn dieser absolut geschützte Kernbereich betroffen wäre, dann müsste per se ein Beweisverwertungsverbot angenommen werden und die übrigen Fragen, ob die Aufzeichnungen nunmehr verwertet werden dürfen oder nicht, dürften sich schon gar nicht mehr stellen.

Im Ergebnis öffnet die Entscheidung des OLG Hamburg demnach den ach so beliebten Hilfssheriffs Tür und Tor für heimliche Aufzeichnung von Vorgängen, die sie sodann problemlos zur Strafverfolgung an die Behörden weitergeben können.

Das darf nicht sein! Warten wir ab, was der Bundesgerichtshof dazu sagt.