Grundsätze der Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung – aktuelles BGH-Urteil vom 25.04.2017 – 1StR 606/16 (LG Rostock)
Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung – wie bei jeder anderen Straftat – die persönliche Schuld des Täters. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind.
Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der “verschuldeten Auswirkungen der Tat” im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht.
“Auswirkungen der Tat” sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens.
Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand.
Dies gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl, sondern auch für die Strafzumessung innerhalb des vom Tatgericht zugrunde gelegten Strafrahmens.
Im Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung ist bereits erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Deshalb kommt bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Unerheblich ist dabei, ob dieser Hinterziehungsumfang durch eine einzelne Tat oder durch mehrere Einzeltaten erreicht worden ist.
Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, der eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt, kann allein das Ausmaß der Steuerverkürzung nicht in dem Sinne ausschlaggebend für die Strafhöhenbemessung sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrages schematisch und quasi “tarifmäßig” verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen.
Bei Tatserien ist zudem nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Verkürzungsumfang maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamthinterziehungsumfang in den Blick genommen werden. Kommt bei Serienstraftaten in der systematischen Vorgehensweise ein besonderes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck, kann auch dieser Gesichtspunkt und nicht der konkrete Verkürzungsumfang bei der Bestimmung der Einzelstrafen im Vordergrund stehen.
Zwar erfordert das Schuldmaßprinzip (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) regelmäßig eine differenzierende Zumessung der Einzelstrafen, die bei Steuerstraftaten eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei Steuerstraftaten – wie auch sonst bei Vermögensstraftaten –, denen gleich gelagerte Begehungsformen zugrunde liegen, eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe erfolgen kann.
Allerdings kann bei Tatserien der durch die Einzeltat verursachte Verkürzungsumfang gegenüber der systematischen Vorgehensweise zur Erreichung einer Gesamthinterziehung dergestalt in den Hintergrund treten, dass Schwankungen bei den Verkürzungsbeträgen im Rahmen der fortgesetzten Tatbegehung bei der Bemessung der Einzelstrafen keine erhebliche Bedeutung mehr zukommt.
Soweit dies der Fall ist, dürfen auch Taten mit unterschiedlichem Hinterziehungsumfang für die Bemessung der Einzelstrafen zu Gruppen zusammengefasst werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16